Michael Marrak: Morphogenesis

Michael Marrak: Morphogenesis. Bastei-Lübbe 2005, ISBN 3-404-24339-0, Paperback 12,5 cm x 18,6 cm, 685 Seiten, 8,95 Euro

Michael Marrak: Morphogenesis

Der halb ägyptische und halb britische Ägyptologe Hippolyt Crispin findet im Frühjahr 2005 in der Libyschen Wüste eine sechsseitige Pyramide, in der sich offenbar das Grab einer Ouroboros-Schlange befindet, die jedoch zu feinstem Staub zerfallen ist. Die Hieroglyphen in der Pyramide kann Krispin nicht entziffern. Zurück in Kairo wird er von einer schönen Frau verführt, die ihm einen Handel vorschlägt: 6 Nächte in der Duat, der ägyptischen Unterwelt, gegen einen Casinogewinn von 22.000 Dollar. Damit beginnt eine seltsame Odysse: Krispin wird von einem seltsamen Piloten in die Karpaten geflogen, wo er durch einen über den Wolken schwebenden riesigen Pfeiler in die Unterwelt gebracht wird. Er will nicht wahrhaben, in der Hölle geladet zu sein, und halt das Ganze für eine militärische Experimentieranlage.

Das klingt ganz nach einem Horror-Roman, und genau darum handelt es sich auch, um einen ziemlich blutigen und ekligen noch dazu. Trotzdem wird das Buch vom Verlag irreführenderweise als Science Fiction verkauft. Pflichtschuldig hat der Autor am Ende des Buches versucht, eine halbwegs vernünftige SF-Erklärung einzubauen, in der die Hölle ein außer Kontrolle geratenes Experiment außerirdischer Entwicklungshelfer ist. Diese Erklärung ist trotz aller zutagetretender Technologie unglaubwürdig, zumal sich der Autor mehrfach selbst widerspricht. Formal könnte man den Roman daher leider als SF einstufen, inhaltlich ist es aber eindeutig Horror mit einer Menge sehr ekliger Schilderungen. Wäre das ein Comic, Film oder Computerspiel, wären vermutlich längst die Zensoren, äh Verzeihung »Jugendschützer«, darüber hergefallen. Das Buch ist nichts für schwache Nerven und empfindliche Mägen, ich fand es einfach nur widerwärtig.

Marraks Schreibstil hat sich gegenüber »Lord Gamma« und »Imagon« erheblich verbessert. Einige Passagen haben sogar mir gut gefallen. Ich vermute daher, daß Liebhaber von Horror-Geschichten ihre Freude an diesem Buch haben werden. Unangenehm aufgefallen ist mir, daß Marrak die entsetzlichen Szenen in einem kühlen, beobachtenden Ton schildert und damit so tut, als wären diese widerwärtigen Vorkommnisse das normalste auf der Welt - erstens sind sie das nicht, und zweitens macht das die Angst und das Entsetzen seines Ich-Erzählers unglaubwürdig. Soweit ich das als jemand, dem die üblichen Horror-Bücher nicht geläufig sind, beurteilen kann, bringt Marrak nicht nur Material aus Dantes Inferno und altägyptischen Beschreibungen des Totenreichs ein, sondern bezieht sich auch auf andere Horror-Romane und bringt eine Menge eigener Ideen mit ein.

Diesmal möchte ich auch ein paar Anmerkungen zur handwerklichen (buchbinderischen) Ausführung des Buches machen, die einfach miserabel ist. Große Blasen im Leim des Buchrückens, der Leim ist über die Außenseite des Buchrückens verschmiert und auch oben und unten über die Seiten - bei manchen Exemplaren, die ich gesehen habe, muß man jede Seite losreißen, um sie vom oben und unten verleimten Buchblock zu lösen. Das Material des Covers neigt dazu, sich zu spalten (die bunte Oberseite schält sich ab). Ich habe lange und in vielen Buchhandlungen suchen müssen, bis ich ein Exemplar gefunden habe, das wenigstens halbwegs an meine Ansprüche an ein neues und somit unbeschädigtes Buch heranreicht, und auch bei dem hat sich das Cover während des Lesens aufgespalten. Dieses Buch ist in dieser Beziehung übrigens kein Einzelfall, alle anderen Bastei-Lübbe-Bücher der letzten etwa 2 bis 3 Jahre kämpfen mit diesen Problemen, und die neueren Heyne-Veröffentlichungen sind von kaum besserer Qualität. Gleichzeitig steigen die Preise immer mehr, die meisten Taschenbücher (wenn es sie überhaupt noch gibt, fast alles erscheint inzwischen als überformatiges Paperback) kosten inzwischen 10 Euro und mehr, das sind 20 Mark! Damit steigen die Buchpreise deutlich schneller als die Inflationsrate, und das bei ständig sinkender Buchqualität (die Qualität des Inhalts schwankt wie üblich).

Fazit: »Thema verfehlt, Sechs, setzen!« Marrak sollte endlich mit seinem Etikettenschwindel aufhören und seine Horror-Romane auch unter diesem Genrebegriff veröffentlichen. »Morphogenesis« enthält zwar einige SF-Elemente, diese werden aber teils widersprüchlich behandelt, und der Inhalt des Buches ist eindeutig Horror, noch dazu recht unappetitlicher. Für Horrorfans ist das Buch daher vermutlich eine Empfehlung, zumal Marraks Schreibstil sich deutlich verbessert hat, SF-Fans und Lesern mit empfindlichem Magen rate ich von der Lektüre ab. Für diesen Leserkreis empfehle ich »Das zweite Inferno (Inferno)« von Larry Niven und Jerry Pournelle.


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Erstellt am Di, den 02.05.2006 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Di, den 22.08.2006 um 20:58.