Achim Havemann [Hrsg.], Klaus Bollhöfener [Chefred.]: phantastisch! Jahrgang 2005 (No. 17 - 20)

Achim Havemann [Hrsg.], Klaus Bollhöfener [Chefred.]: phantastisch! Jahrgang 2005 (No. 17 - 20). Verlag Achim Havemann, ISSN 1616-8437, Heft mit Klammerung A4, je 68 Seiten, je 4,90 Euro

Hinweis: Ich beschränke mich hier ausschließlich auf die enthaltenen Kurzgeschichten und gehe auf die teils hervorragenden Sekundärartikel, die den Großteil der Hefte ausmachen, nicht ein.

enthält (*: keine SF):


* No. 17: Helga Schubert: Einmal Pommes, Bruder?

Der ich-Erzähler ist wütend, weil sein fetter Vermieter ihm die Miete erhöht hat. Er geht in einen Imbiß, in dem nur Dicke sitzen.

Ordentlich erzählt, aber zu vorhersehbar.


No. 17: Barbara Slawig: Bericht über Evans

Karla Hand ist eigentlich eine Modifizierte, deren Gehirn verändert wurde, um intuitive Denkprozesse zu verbessern - allerdings nicht so wie erhofft. Sie hat 7 Jahre an Bord der Starreach gearbeitet, nun ist der Ätherantrieb fertig und die Neptun gekommen, um sie alle abzuholen. Doch nun holt die Vergangenheit Karla ein...

Ordentlich und mit kräftiger Sprache erzählt, gelingt es Slawig leider nicht, das andersartige Denken von Karla plausibel darzustellen - es wirkt einfach nur konfus. Eine ähnliche Aufgabenstellung hat Elizabeth Moon in "The Speed of Dark" hingegen hervorragend gemeistert.


* No. 18: Boris Koch: Anja

Der ich-Erzähler kann als einziger die Toten sehen, die ganz in der Nähe ins Jenseits treten. Er macht die Bekanntschaft mit Charon, der durch Einführung moderner Technik im Jenseits arbeitslos wurde. Der gibt ihm die Möglichkeit, seine verstorbene Frau wiederzusehen.

Gut erzählte Geschichte, die das Thema zur Abwechslung mal mit einem Augenzwinkern behandelt.


No. 19: Martin Rump: Das Ding auf der Straße

Der ich-Erzähler entdeckt ein leuchtendes gelbes Ding auf dem Bürgersteig. Seltsamerweise tritt niemand darauf, und niemand sieht es außer ihm - und einem Mann, der aus einem Agentenfilm zu stammen scheint.

Sehr gut erzählte Geschichte, die den Leser immer neugieriger macht. Der Autor hält dies in guter, klarer, schnörkelloser Sprache bis zum Ende der Geschichte konsequent durch. Es ist schwer, diese Geschichte einem bestimmten Genre zuzuordnen, da sie ja bewußt auf eine Auflösung verzichtet. Eine wirklich lesenswerte Geschichte, die völlig zu recht den Wettbewerb gewonnen hat. Eine kleine Unstimmigkeit gibt es allerdings: In den USA gibt jeder automatisch 10% bis 15% Trinkgeld, das gehört sich einfach so (und ist in den niedrigen Löhnen der Bedienungen einkalkuliert).


* No. 19: Gütha Schwalbach: Der Rabe vom Feld

Prinz Cellian liegt lebensgefährlich verletzt auf dem Schlachtfeld, als ein Rabe ihm einen Handel anbietet: Sein Leben für seine Augen, denn der Rabe ist ein Feinschmecker. Cellian akzeptiert, weiß mit dem geschenkten Leben aber nichts anderes anzufangen als einen Rachefeldzug gegen seinen Feind zu starten.

Eine sehr poetische Geschichte, in sanfter und doch klarer Sprache verfaßt. Der Autorin gelingt es, die Botschaft so in der Geschichte zu verpacken, daß der Leser zwangsläufig auf sie stoßen muß, dies aber trotzdem nicht aufdringlich wirkt. Insgesamt eine sehr stimmige Story, die einen verdienten zweiten Platz im Wettbewerb belegt hat..


No. 19: Daniel Nejmirok: Grauzone

Der ich-Erzähler findet sich in einer Welt wieder, in der die Farbe grau vorherrscht. Er weiß nicht, wer er ist oder wo er ist und will möglichst schnell verschwinden. Blondine Leni bewahrt ihn vor einer Unvorsichtigkeit, er ist ein Zeitreisender, den es in die Zeit Ulbrichts verschlagen hat.

Die Geschichte stolpert ein wenig dahin, wirkt konfus und hat seltsame Brüche. Zwar gibt es am Schluß eine Erklärung und sogar den Versuch einer Schlußpointe, doch vermag das nicht zu überzeugen. Auf diesen dritten Platz im Wettbewerb hätte ich verzichten können.


* No. 20: Ernst Vlcek: Mzimu friert

Ein Schriftsteller ist in seinem Haus in den Bergen eingeschneit, als es an der Tür klopft und er einem völlig durchgefrorenem Schwarzen das Leben rettet. Dafür erzählt der ihm seine Lebensgeschichte anhand einer Art magischem Bild derart ergreifend, daß es dem ich-Erzähler nicht gelingt, sie hinterher zu Papier zu bringen. Drei Jahre später, wieder ein Schneesturm, und wieder klopft es an der Tür...

Sehr stimmungsvoll erzählte Geschichte mit einer interessanten Erklärung am Schluß. Schelm, der Vlcek ist, bringt er noch ein Stück Selbstironie in der Gerschichte unter. Es freut mich, daß die phantastisch!-Redaktion auch einmal eine längere Geschichte abgedruckt hat.


No. 20: Malte S. Sembten: Memory-TX

Dr. Schneider war Chirurg und hat an der ersten Gehirn- oder besser Ganzkörpertransplantation mitgewirkt, arbeitet jetzt aber (teils illegal) auf dem Gebiet der Erinnerungstransplantation.

Gut erzählte Geschichte über ganz neue kriminelle Methoden - wer die Erinnerung hat, wird auch als Täter verurteilt. Die transplantierte Erinnerung verschwindet aus dem Gedächtnis des Spenders, ohne daß dafür eine Erklärung geliefert wird (siehe auch Frank Hebben: »Omega« in c't 8/2005) - Handel mit beliebig duplizierbaren Erinnerungen wäre wenig lukrativ.


Fazit: phantastisch! bringt wieder einige gute Geschichten, wobei die beiden Siegerstories in No. 19 sich deutlich abheben. Das ist auch irgendwie logisch, wurden sie doch aus etwa 150 Einsendungen ausgewählt. Die sehr stark abfallende dritte Plazierung zeigt, wie schwer es ist, wirklich gute Geschichten zu finden.

Gute Geschichten (beste zuerst):


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Erstellt am Mio, den 22.02.2006 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Fre, den 24.02.2006 um 02:28.