Dieter Hasselblatt: Aufklärung eines Modelle-Falls

Dieter Hasselblatt: Aufklärung eines Modelle-Falls. Books on Demand / edition consolator 2004, Paperback, ISBN 3-8334-1760-9, 20,00 Euro

Dr. Corinna Byltrand, Psychologin, Juristin und Germanistin, wird vom Bundesministerium für Forschung und Technologie gebeten, ein Simulationsprogramm für mögliche Kontakte mit nichtmenschlicher Intelligenz zu untersuchen, denn es hat einen Todesfall gegeben. In Karlsruhe wird ihr erklärt, daß man 7 Modellfälle nichtmenschlicher Intelligenz aus den Bereichen Tier, Mythos und Naturgesetz identifiziert hat und diese nun über ein Computerprogramm kombiniert und mittels virtueller Realität (Bildschirm, Audio-Dialog und Schmerzfeedback) in Interaktion mit Testpersonen bringt. Dabei kann es zu erheblichen Streßsituationen kommen.

Die grundlegenden Ideen sind sehr interessant, insbesondere der Versuch, das GANZ ANDERE zu kategorisieren und Handlungsmöglichkeiten zu erforschen. Leider ist das auch schon das einzig positive an diesem Buch. Der »Roman« basiert auf zwei Hörspielen von Hasselblatt: »Modelle Kirke, Kleistbär, Heisenberg usw.« von 1974 und »Modelle Delphin, Hiob, Säurebad usw.« von 1984 und wurde 1994 fertiggestellt, aber erst jetzt, 7 Jahre nach Hasselblatts Tod, wie vorgefunden (naja, fast - er wurde leider in die neue Rechtschreibung übertragen) veröffentlicht. Wobei »basiert« nicht das richtige Wort ist - es handelt sich eher um das Skript eines Hörspiels oder eines Theaterstücks (die ja recht ähnlich sind) als um einen Roman. Im Grunde eine einzige Aneinanderreihung von Dialogen, und sogar die meisten der wenigen normalen Textteile sind indirekte Rede. Es ist nicht nur so, daß die Möglichkeiten des Mediums Buch nicht ausgenutzt würden, der Text wurde *überhaupt nicht* an das geänderte Medium angepaßt! Das ist sehr enttäuschend, denn das Ergenbis liest sich vorsichtig gesagt ziemlich zäh. Außerdem wird die Bedeutung der 7 Modellfälle nur unzureichend vermittelt. Wie gesagt, die Grundidee ist sehr gut, aber die Umsetzung auf das Medium Buch unzureichend. Wenn sich jemand des Stoffes annehmen und adäquat als Roman umsetzen würde, könnte daraus aber ein sehr gutes Buch werden. Vor allem könnten die verschiedenen Testszenarien plastisch beschrieben werden, während sie jetzt nur andeutungsweise erläutert werden, was überaus schade ist.

Die Einordnung als SF ist allerdings problematisch: Zur Zeit, als die Hörspiele gesendet wurden (1974/1984) war eine derartige virtuelle Realität noch Zukunftsmusik, was eingeschränkter auch noch für die Fertigstellung des Buches 1994 gilt. Inzwischen hat die technische Entwicklung das Buch allerdings eingeholt - die Ausdrucksweise des Computers beispielsweise ist mehr als altbacken... Mit den heutigen Mitteln (3D-Brille etc) läßt sich ein solcher Versuchsaufbau bedeutend realistischer gestalten als im Buch beschrieben, und die Rechenkapazität von Großrechnern, wie sie sich eine staatliche Forschungsstiftung leisten kann, ist dafür ebenfalls ausreichend. Von daher ist das Buch ein gutes Beispiel für Science Fiction, die tatsächlich die Zukunft hat extrapolieren können.

Fazit: Von der Idee her sehr gut, aber die Umsetzung auf das Medium Buch ist völlig unbrauchbar. Die Bezeichnung »Roman« trägt das Buch zu Unrecht. Ich wünsche mir, daß es bald eine massive Überarbeitung des Stoffes gibt, denn er ist für einen hervorragenden Roman geeignet. In der vorliegenden Form aber ist es einer der schlechtesten »Romane«, die ich für 2004 gelesen habe, was ich sehr bedauere.


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Erstellt am So, den 30.01.2005 von Martin Stricker.
Zuletzt geändert am Do, den 22.12.2005 um 15:41.